Kita

Vier Blickwinkel auf einen Geburtstagskuchen 

Heute ist Manuels 5. Geburtstag und seine Mama Claudia hat für die Kita einen Geburtstagskuchen gebacken – mit Smarties, Gummibärchen und Schokoglasur. Manuels Lieblingskuchen. 

Als sie morgens den Kuchen der Erzieherin übergibt, rümpft diese schon die Nase und sagt: „Frau Eckert, Sie wissen doch, dass wir in der Kita möglichst zuckerfreie Lebensmittel anbieten. Bitte bringen Sie das nächste Mal etwas anderes mit.“ Claudia weiß gar nicht was sie sagen soll, verabschiedet sich und geht aus der Kita.  

Im Auto flucht und schimpft sie sich erstmal alles von der Seele und dann kommen die ersten Tränen. Sie hat sich doch so viel Mühe gegeben. Ist mit Manuel zusammen in den Supermarkt gegangen und hat alle Zutaten eingekauft. Ist den ganzen Abend in der Küche gestanden, um den Kuchen zu backen und war so glücklich, dass er ihr gelungen ist. Wo sie Backen hasst, es ihr oft nicht gelingt und sie es total unter Stress setzt. Und jetzt das … 

Zur gleichen Zeit in der Kita 

Manuel sitzt mit seiner Erzieherin Britta in der Leseecke und erzählt ihr, wie sie er sich das Rezept für den Kuchen aussuchen durfte und gestern alle Zutaten für den Kuchen gemeinsam mit seiner Mama einkaufen durfte. Seine Mama bis ganz spät abends wach war und den Kuchen gebacken hat, sodass die ganze Wohnung heute Morgen nach Schokokuchen geduftet hat. Manual strahlt und kann gar nicht mehr aufhören zu erzählen.

Britta reflektiert die Situation am Morgen mit Manuels Mama und nimmt sich vor nach dem Morgenkreis mit ihrer Leitung zu sprechen. Sie würde gerne am Abend in der Teamsitzung über Geburtstage sprechen und ob diese Tage nicht eine Ausnahme sein können, was das Thema „zuckerfreie Kita“ betrifft. Sie hat auch ein schlechtes Gewissen, da sie morgens direkt zu ihrer Kollegin Monika gesagt hat, dass sie nicht versteht, warum Eltern nicht einfach etwas anderes außer einem Schokokuchen backen können.  

Claudia beschäftigt das Thema mit dem Geburtstagskuchen sehr, sie ruft ihren Mann Andreas an. Dieser versteht überhaupt nicht, warum in der Kita so ein Aufstand wegen eines Geburtstagskuchens gemacht wird. Er sagt ihr, dass er es bewundernswert findet, wie Claudia immer alles unter einen Hut bekommt – Arbeiten, Manuel umsorgen und dann auch noch einen Kuchen abends zu backen, wo sie Backen doch so sehr hasst. Andreas versucht Claudia aufzubauen und rät ihr, dass sie es doch heute Mittag beim Abholen direkt ansprechen soll.  

Claudia kann sich bei der Arbeit gar nicht richtig konzentrieren, weil sie versucht Sätze zu formulieren, die sie beim Abholen der Erzieherin sagen möchte. Sie spielt sämtliche Szenarien im Kopf durch und als sie mittags ins Auto steigt, wird ihr ein bisschen flau im Magen und die Nervosität steigt. Bevor sie aber in der Kita etwas sagen kann, entschuldigt sich die Erzieherin direkt bei ihr und erklärt, dass sie heute Abend in der Teamsitzung über Geburtstage sprechen möchten. Claudia ist erleichtert und bedankt sich bei Britta. 

Vier Personen und vier verschiedene Blickwinkel. 

Natürlich läuft dies in der Realität nicht immer so ab. Oftmals wird auf das „Zuckerfreie“ in der Kita sehr gepocht – von Pädagog*innen wie auch von den Eltern. Dabei kann es helfen, Situationen immer wieder zu hinterfragen und offen zu sein, für neue Wege. Wäre Britta, in dem oben beschriebenen Beispiel, nach dem Gespräch mit Manuel nicht so reflektiert gewesen, wäre die Situation bestimmt anders ausgegangen. Manchmal hilft, sich in die Rolle des anderen hineinzuversetzen – zu hinterfragen, warum ist der Kita das zuckerfreie Thema so wichtig? Kann ein Elternabend hierzu stattfinden und gemeinsam das Thema bearbeitet werden, z.B. durch das gemeinsame Backen eines zuckerfreien Kuchens? Welche Bedeutung hat der Geburtstag eines Jeden? Wie werden Geburtstage in verschiedenen Kulturen gefeiert? Gerade ein Geburtstag sollte etwas Besonderes sein und auch Ausnahmen möglich machen genauso wie Feste und andere besondere Feiern. Es soll dabei ein schöner Tag für das Kind werden und möglichst wenig Stress bei den Fachkräften oder Eltern auslösen.  

 
Was wäre eine andere Möglichkeit, den Geburtstag des Kindes in der Kita zu gestalten?

Damit jedes Kind seinen Geburtstag als etwas wunderbares und unglaublich Wertvolles erleben kann, könnte es in der Kita einen Geburtstagordner mit Rezepten geben. Aus diesem Ordner darf sich das Kind dann ein Rezept aussuchen genauso wie zwei bis drei Freunde und dann wird dies am Geburtstag zubereitet. Dies entlastet nicht nur die Eltern, sondern auch Fachkräfte – denn oftmals haben Kinder Allergien oder Unverträglichkeiten und dadurch können Rezepte ausgewählt werden, sodass alle Kinder in der Kita mitessen können. Ein weiterer wichtiger Punkt bei dieser Möglichkeit ist es, dass kein Kind benachteiligt wird aufgrund der finanziellen Situation der Familie.

Wie können Eltern Druck rausnehmen?

Genauso können es auch Eltern zu Hause machen. Es gibt einen Ordner mit Rezepten und das Kind kann sich auch diesen eins für seinen Geburtstag aussuchen. Ebenso kann hier gemeinsam mit dem Kind ein Einkaufszettel geschrieben und alle Zutaten eingekauft werden.
Und auch beim Geburtstag ist es möglich Aufgaben abzugeben – warum sollte nicht Onkel Tom, der Konditor ist, die Torte für Manuel backen. Ihn setzt das Backen vermutlich weniger unter Stress als Claudia.
Gerade in Elternforen artet der Geburtstagswettkampf (meistens unter Müttern) oftmals aus. Wer hat die tollste Torte, wer das beste Geschenk oder wer gibt am meisten Geld dafür aus. Und das muss nicht sein, es braucht keinen Clown am Geburtstag oder ein 5 – Gänge – Menü. Die gute alte Schnitzeljagd mit Stockbrotgrillen am Abend ist genauso viel wert! Lasst euch nicht unter Stress setzen und nehmt selbst den Druck raus.

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